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Prinzipien und Sprache: eine unabhängige Ansicht

Dieses Thema enthält die Aufzeichnung eines Gesprächs mit Arturo Toledo über die Designprinzipien und -Entwurfssprache von Microsoft. Arturo war früher Designer und internationaler Sprecher bei Microsoft, und er führt inzwischen ein unabhängiges Studio. Arturo ist die treibende Kraft hinter dem beliebten Blog 24 Weeks of Windows Phone Design (24 Wochen mit Windows Phone-Design) und der Vortragsreihe „Beyond Tiles“ (Jenseits der Kacheln) durch Westeuropa. Das Video selbst sowie weitere Ressourcen und Informationen zu Arturo finden Sie auf Channel 9

Arturo spricht über die Microsoft-Designprinzipien für Windows und Windows Phone-Apps. Er erzählt uns, was er als Designer in den Designstudios von Microsoft gelernt hat, welche Erkenntnisse er aus seiner Tätigkeit als unabhängiger Berater zieht, und welche neuen Möglichkeiten sich auftun können, wenn man den Unterschied zwischen Entwurfsprinzipien und Entwurfssprache kennt.

Prinzipien und Sprache

„Nun, die Prinzipien sind ... einfach alles, oder? Mein Name ist Arturo Toledo und ich leite einen sehr kleinen Laden namens Toledo Design. Ich habe meinen Nachnamen gewählt, weil das einfacher ist. Wir sind jetzt ein kleines Team aus fünf Personen.

„Eine wirklich interessante Erkenntnis, die ich über die letzten Jahre in meiner Tätigkeit als unabhängiger Designer und in den Jahren, in denen ich für Microsoft gearbeitet habe, gewonnen habe, ist meiner Meinung nach, dass dies zwei Paar Schuhe sind. Prinzipien und Sprache. Ich habe gelernt, die Prinzipien zu befolgen, weiterzuentwickeln und zu lieben.

„Nehmen Sie sich beim Erlernen der Prinzipien etwas Zeit, um die dafür erforderlichen Bücher zu lesen. Sie werden mit einer wunderschönen Sprache belohnt. Wenn Sie Prinzipien einführen, befreien sich von einer sehr strengen und einschränkenden Sprache, und Ihnen eröffnen sich zahllose Möglichkeiten. Eine Sache, die ich allen meinen Gesprächspartnern mitgebe, ob Entwickler oder Designer, besteht darin, dass eine Aussage wie „Ich habe meine Entwurfssprache durch Entwurfsprinzipien definiert" nicht möglich ist. Das ist eine Lebensaufgabe."

Die Meister des Designs

„Nehmen wir einige der Meister des Designs, des modernen Designs, z. B. Massimo Vignelli oder Josef Müller-Brockmann: Sie haben sich ihr ganzes Leben lang damit beschäftigt, die Sprache zu erforschen. Sie hätten vermutlich noch Hunderte Jahre so weitermachen können.

„Bei jedem Projekt für Windows oder Windows Phone versuchen wir stets, es immer ein bisschen besser zu machen. Ich messe mich und mein Team gerne an der Tatsache, was wir nach einigen Durchgängen erreicht haben. Und die Prinzipien sind der einzige Kompass, den wir auf diesem Weg haben. Würden wir einer Sprache folgen, würden wir auf der Stelle treten.

„Man steht also plötzlich vor einem Problem – mit dieser Sprache, die für die Nutzung von Inhalten optimiert ist oder einen starken Fokus darauf legt, kommt man einfach nicht weiter. Worauf verlassen wir uns also in solchen Fällen? Auf die Prinzipien. Die Designprinzipien. Ich denke, die größte Genugtuung, die wir in den letzten Jahren empfunden haben, ist Folgende: Wir waren an die Grenzen der Sprache gestoßen, aber besannen uns auf die Microsoft-Designprinzipien zurück, die zuerst vom Windows Phone-Team geprüft und dann in jedem Bereich von Microsoft eingeführt wurden, und wir haben stets gute Antworten und Lösungen gefunden. Ich glaube, dass die Microsoft-Designprinzipien, die sich immer wieder bewährt haben, so universell und zeitlos sind, dass Ihnen bei ordnungsgemäßer Anwendung beim Entwerfen Ihrer verschiedenen App-Typen keine Grenzen gesetzt sind. Wichtig ist vor allem größtmögliche Aufmerksamkeit beim Studieren der Prinzipien. Die Sprache ist natürlich wichtig, aber die Prinzipien sind doch das Entscheidende, denke ich."

24 Wochen mit Windows Phone-Design

„Wir verbrachten 24 Wochen mit Windows Phone-Design. Das ist eine interessante Geschichte: 2011 schrieb Jeff Blankenburg, wenn ich mich recht erinnere, in der Community von einer in etwa 20- oder 30-tägigen Windows Phone-Entwicklung. Aber er veröffentlichte tatsächlich jeden Tag einen Beitrag. Das war toll, oder? Am 1. Januar 2012 vertraute ich der Community an, dass ich im Rahmen von 30 Tagen mit Windows Phone-Design bereits am zweiten Tag festgestellt hatte, dass es einfach unmöglich und viel Arbeit war. Ich habe es also immer wieder verlängert, sodass ich letzten Endes 24 Wochen damit beschäftigt war.“

Zeit im Microsoft-Designstudio

„Was mich wirklich motiviert hat, ist die Zusammenarbeit mit Microsoft, durch die über die Jahre die Benutzererfahrung aus verschiedensten Blickwinkeln betrachten konnte. Letztes Jahr hatte ich die einmalige Möglichkeit, im Windows Phone Design Studio mit Leuten wie Albert Shum und Jeff Fong zusammenzuarbeiten – die Großmeister der Microsoft-Designprinzipien.

„Es war einfach überwältigend, in einem Studio anzukommen, in dem das Niveau des Designs viel höher war als ich je in meinem Leben, und von Microsoft, erwartet hätte. Das Gesprächsniveau, die Kritik war so intelligent, präzise … es fühlt sich an, als würde ich jeden Tag eine TED-Konferenz zum Thema Design besuchen. Man lernt schon allein dadurch, dass man Zeit mit diesen Designer verbringt und Gespräche im Gang hört – es war fantastisch!

„Schnell wurde mit dieses Niveau und Verständnis von modernen Designprinzipien bewusst – nicht „modern“ im Sinne der „Microsoft-modernen“ Art der Entwurfssprache, sondern moderne Entwurfsprinzipien gemäß den Prinzipien, die die Meister des 20. Jahrhunderts erforscht haben. Ich hatte noch viel zu lernen. Das wurde mir klar, als ich sie über Typografie und Raster sprechen hörte. Das bestand selbst bei mir als Designer noch großer Nachholbedarf. Um die Jahrtausendwende führten Flash und Konsorten bei vielen von uns zu einer Art Anarchie in unseren Designverfahren.

„Daher war ich so begeistert von dem Jahr mit den Windows Phone-Team. Es war wie eine Rückbesinnung auf die Grundlagen: kein Durcheinander, keine unnötigen Spielereien – man muss es visuell nicht übertreiben. Zeigen Sie einfach, was Sie zeigen müssen, entwerfen Sie, was Sie entwerfen müssen – vermitteln Sie einfach das, was wirklich benötigt wird. Für mich als gelernter Architekt war das fantastisch, es fühlte sich an wie eine Art Comeback. Das war ein wirklich fantastisches Jahr.

„Ich setzte mir also das Ziel, jeden Tag oder jede Woche einen Blogeintrag zu verfassen, den man als Lernmittel nutzen kann, um auf das Niveau dieser fantastischen Leute zu kommen, mit denen man jeden Tag zu tun hat. Man will schließlich glaubwürdig sein, oder? Also legte ich los. Sobald man in einer solchen Situation ist, beginnt man natürlich zu forschen, zu lesen, mit Leuten zu sprechen, Fragen zu stellen und zu üben. Das war mein Ziel von „24 Wochen mit Windows Phone-Design“. Es begann aus dem rein egoistischen Motiv heraus, aufholen zu wollen, und entwickelte sich zu etwas, das die Community wirklich gut annahm und letzten Endes vielen Leuten eine große Hilfe war. Ich glaube, der Blog stieß deshalb auf so große Resonanz, weil er sehr praxisbezogen ist und über die reine Auflistung der Richtlinien hinausgeht. Diese Richtlinien wiederum sind ein Spiegelbild der Sprache. Ich wurde auch wieder in meiner Überzeugung bestätigt: Wenn man stets die Sprache befolgt, kommt man nicht über das Spektrum der Möglichkeiten dieser Prinzipien hinaus. Und das war der entscheidende Punkt.

„In den 24 Wochen verzeichneten wir etwa 10.000 Downloads. Wir haben den Blog in einer Art E-Book zusammengefasst, das zum Download bereit steht. Ich weiß den Link gerade nicht auswendig, aber es ist hier erhältlich.

„Aufgrund der tollen Resonanz planen wir für dieses Jahr ein weiteres Buch, in dem wir uns hoffentlich mehr auf unsere Sicht der Prinzipien konzentrieren können. Das war eine tolle Erfahrung.“

Designintegration

"Also, ein paar von uns, darunter auch ich, sitzen in Seattle, und einige sind in Mexiko-Stadt tätig. Mein Bruder Alejandro, er ist mein Partner, konzentriert sich mehr aufs Entwickeln. Er mausert sich aber nach und nach zum User Interaction Designer und Designintegrator.

„Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Zusammenarbeit mit Alberts Team war die Tatsache, dass das Team erstmalig bei Microsoft nicht nur eine schöne Zusammensetzung liefern wollte, sondern das tatsächliche XAML-Markup. Und, ich glaube, das war ein echter interner Durchbruch bei Microsoft, was die Qualität der Arbeit des Designteams angeht. Das Team erhielt dadurch mehr Verantwortung und hatte einen größeren Anteil an der Entwicklung. Stellen Sie sich vor, Sie haben das Konvertierungsproblem gelöst, dem Sie jahrelang gegenüberstanden, und Sie liefern schöne Zusammensetzungen. Dann aber nehmen Entwickler diese Zusammensetzungen und am Ende sehen diese vielleicht nicht mehr aus wie vorher. Daher wollte das Entwicklungsteam das Markup selbst erstellen. „Also nahm ich mir bei der Gründung dieses kleinen Studios meinen Bruder und sagte so etwas wie „Du bist die Abteilung für Designintegration“ und seitdem pflegen wir eine tolle Zusammenarbeit, von der Architektur bis zur Designintegration.“

Eingehendes Betrachten der Prinzipien

„Wir begannen mit den ursprünglichen Entwurfsprinzipien von Windows Phone.“ Die Grundlage bildeten „Strikte Reduzierung der Elemente“ „Inhalt vor Spielerei“, „Lebendig durch Bewegung“, „Typografie feiern“ und „Wirklich digital“. Einige Jahre später wurden diese Prinzipien etwas überarbeitet. Nun haben wir Prinzipien wir „Seien Sie stolz auf Ihre gute Arbeit“, „Gemeinsam gewinnen“, „Weniger ist oft mehr“ usw. Im Rahmen dieser zweijährigen Untersuchung haben wir also auch die Prinzipien an sich verfeinert. Ich glaube, bisher kann ich behaupten, dass wir dieselben Prinzipien befolgen. Es besteht kein Zweifel, dass die Grundlage identisch ist. Wir sind noch am Anfang, und nach und nach, mit etwas Übung, Projekt für Projekt begannen wir, das Verständnis dieser Dinge zu erweitern. Zum Beispiel das Prinzip „Gemeinsam gewinnen“.

„Das ist natürlich toll. Aber wie hilft das mir als Designer beim Verbessern einer Benutzeroberfläche?

„Der entscheidende Punkt ist vermutlich, dass wir die Verträge und all diese anderen Dienste nutzen und eine einheitliche, integrierte Erfahrung erstellen könnten. Live-Kacheln, mit denen Sie die Funktionen Ihrer Anwendung voll ausschöpfen können und die sich bis in den Starbildschirm ziehen – das Ergebnis ist eine einheitliche Windows-Erfahrung. Absolut wertvolle Erfahrungen."

Universelle Windows-Apps

„Wenn wir mit Kunden sprechen, die Apps sowohl für Windows als auch Windows Phone wünschen, vereinen wir diese beiden Ideen in der Regel von Anfang an. Wir lassen Verträge und einige andere typische Steuerelemente wie App-Leiste oder die Navigationsleiste in Windows und einige andere Dinge erstmal außer Acht. Und wir versuchen, uns auf geräte- und bildschirmübergreifende Funktionen zu konzentrieren. Wenn man darüber nachdenkt, geht es bei Windows One genau darum – wie man eine einzige Erfahrung bereitstellt. Ein Trend, die wir in den letzten Jahren bemerkt haben ist, dass Benutzer zunehmend nicht an Apps, sondern zunehmend an das große Ganze denken. Es geht also nicht mehr darum, z. B. eine Segelapp fürs Smartphone, Surface-Tablet oder Windows zu erstellen. Wir überlegen, wie wir unseren Nutzer beim Segeln unterstützen können. Dabei wird das Smartphone ebenso eine Rolle spielen wie das Tablet und der Desktop-PC. Und in der Zukunft wird auch der Fernseher Unterstützung beim Segeln bieten.“

Strukturierte Informationen

Wenn wir kurz zusammenfassen sollten, wie wir die Prinzipien heute für uns interpretieren – moderne Designprinzipien. Teil davon sind die strukturierten Informationen. Was sind strukturierte Informationen? Nun, wenn Sie sich alles ansehen, was Microsoft für Windows und Windows Phone gemacht hat, dreht sich alles um zwei wichtige Themen: Raster und Typografie. Wenn Sie als Entwickler oder als Designer wissen, wie Sie diese beiden verwenden, sind Sie bereits einen Schritt voraus.

„Und auch ich lerne immer noch dazu: Gestern telefonierte ich mit einem guten Freund, der hier das Xbox-Design leitet, und den ich sehr bewundere. Er gab mir eine 10-minütige Schulung zu Rastern. Man lernt also nie aus. Wenn Sie aber gelernt haben, wie Raster und Typografie zu verwenden sind, haben Sie Ihr Ziel erreicht. Das ultimative Ziel von Rastern und Typografie ist es, strukturierte Informationen zu vermitteln.

„Das ist etwas, das bei anderen Plattformen wie iOS oder Android nicht wirklich berücksichtigt wurde. Es ging nicht um strukturierte Informationen, sondern es dreht sich alles um Spielereien, Verzierungen und Texturen. Natürlich haben seitdem wir erlebt, wie die gesamte Branche sich auf das zurück besinnt, womit Microsoft vor ein paar Jahren begonnen hat. Man muss bedenken, dass der Inhalt im Mittelpunkt steht und es auf die enthaltenen Infos ankommt.

„Eine weitere Sache, die meiner Meinung nach sehr wichtig ist und die uns in diesen beiden Jahren unzählige Male vor Augen geführt wurde, ist folgende: Der größte Unterschied zwischen Microsoft/Windows und iOS sowie Android liegt im Immersionsgrad. Sehen wir uns das einmal an. In iOS 7 oder der neuesten Android-Version wird Tiefe über die z-Achse vermittelt.“

Die Grenzen des Bildschirms überwinden

„Das ist etwas ganz Tolles – genau dafür sind digitale Geräte da. Microsoft hat sich jedoch in den letzten Jahren auf etwas konzentriert, das mir persönlich besser gefällt: Microsoft vermittelt diese Immersion auf der x-, y- und z-Achse.

„Wenn Sie die Panorama-, Pivot- oder Rasteransicht in Windows betrachten, und sogar wenn Sie das Dashboard der Xbox ansehen, haben Sie bei Microsoft-Bildschirmen das Gefühl, dass Sie mit Inhalt oder Infos oder UI zu tun haben, die über den Bildschirm hinausgehen. Für mich ist das ein echtes Wunder.

„Ich erinnere mich noch genau an meine erste Begegnung damit: Ich nahm ein Smartphone – es war ein Windows Phone, ein Windows Phone 7. Und ich wischte über ein Panorama. Ich fühlte mich wie in eine dieser Fernsehwerbungen versetzt, in denen man die Informationen geradezu aus dem Smartphone fliegen sieht. So fühlt es sich auch wirklich an. Damit kommen wir zu einem weiteren, sehr praktischen Tipp: Inhalte anzeigen. Um diese Kontinuität über die Grenzen des Bildschirms hinweg zu vermitteln, müssen Sie eine Vorschau auf den folgenden Inhalt zeigen. Wir helfen Entwicklern häufig dabei, dieses Problem in ihren Apps zu beheben. Wenn nichts angezeigt wird, kann man kein Gefühl von Kontinuität vermitteln. Aber wenn Sie eine kleine Vorschau bieten, wird der Benutzer weiterwischen. Und weiter. So geht das bis zum nächsten Abschnitt weiter. Sie werden es genießen, dass der Benutzer sich weiteren Inhalt zu Gemüte fühlt. Wenn ein kleiner Bildschirm plötzlich größer wird, fühlt sich das an, als ob Sie die Grenzen des Bildschirms sprengen – ein wirklich tolles Gefühl.“

Nächste Schritte

„In diesem Fall wurde das durch die Microsoft-Entwurfssprache ermöglicht. Daher räumen wir der Vorschau in unseren Projekten einen großen Stellenwert ein. Wir achten genau darauf, kleine Vorschauen einzubauen – an den Seiten, am oberen und unteren Bildschirmrand. Ich freue ich mich wirklich darauf, mich in Zukunft ausgiebig mit der z-Achse zu befassen. Das ist eine Sache, der man sich als Designer voll und ganz verschreiben muss – als würde man After Effects zu einem Film zusammenfügen. Und daher hoffe ich, dass mein kleines Team und ich uns dieses Jahr ausgiebig damit befassen können.“

Arturo Toledo

Chief Architect Toledo Design