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Die Bauern rebellieren!

David Platt

David PlattIch habe schon immer gern „Magnus der Magier“ gelesen, einen Comicstrip, der im Mittelalter spielt. Seine Schöpfer sind 2008 gestorben, aber ihre Nachkommen setzen ihr Werk fort und veröffentlichen eine aktuelle Version für das heutige Internetzeitalter (siehe bit.ly/1d7eIYK). Die Bauern (natürlich als Dummköpfe bekannt) toben durch die Stadt und schwenken dabei Schilder, auf denen zu lesen ist, dass der König ein Schurke ist. Abbildung 1 zeigt die Reaktion des Monarchen („Allerdings“).

Die Geschäftsführung bei Avon hat die Unzufriedenheit der Mitarbeiter verspätet erkannt.
Abbildung 1: Die Geschäftsführung bei Avon hat die Unzufriedenheit der Mitarbeiter verspätet erkannt.

Dasselbe Szenario verbreitet sich jetzt explosionsartig im Bereich der Unternehmenssoftware. Im letzten Dezember stoppte der Kosmetikkonzern Avon eine neue Version seiner Auftragsverwaltungssoftware auf Basis von SAP. Wie das Wall Street Journal im Dezember berichtete, fanden die Vertreter im Avon-Vertrieb das neue System so belastend und ihre täglichen Arbeitsabläufe dadurch dermaßen gestört, dass viele das Unternehmen verließen.

Ein SAP-Sprecher wurde später dahin gehend zitiert, dass Avons Auftragsverwaltungssystem trotz der Probleme bei der Implementierung dieses Projekts wie im Entwurf vorgesehen funktioniere.

Aber stimmt das? Wenn Avon keinen Mitarbeiterabbau durch schlechte Software beabsichtigte, kann man daraus schließen, dass das Unternehmen einen sehr schlechten Entwurf implementiert hat. Und der beschönigende Sprecher (aber ich wiederhole mich, wie Mark Twain) sollte meinen Artikel über das Wort „Problem“ lesen (siehe msdn.microsoft.com/magazine/ff955613).

So wie früher das Rauchen in der Öffentlichkeit normal war, war es einst üblich, die Benutzer zu zwingen, sich zu fünfdimensionalen Hyperbrezeln zu verdrehen, um sich der Software anzupassen und, um Begriffe jener Zeit zu verwenden, „mit Computern vertraut“ zu werden. Der UX-Guru Alan Cooper schrieb, dass ein computererfahrener Benutzer jemand ist, der so viele Verletzungen davongetragen hat, dass er den Schmerz aufgrund der dicken Narben nicht mehr spürt. Die Benutzer akzeptierten dies als Preis, den sie als Computerfachleute eben zu zahlen hatten. Diese Einstellung gehört der Vergangenheit an.

Der Erfolg von Software und Hardware im Konsumentensektor wird nunmehr seit sieben Jahren (seit dem ersten Apple iPhone) durch die Benutzerfreundlichkeit bestimmt. Es hat allerdings viel länger gedauert, bis diese Anforderung den Unternehmenssektor erreicht hat. Die gesamte Bring-Your-Own-Device-Bewegung geht auf frühzeitige Anwender von iPhones und iPads zurück. Sie waren der Auffassung, dass ihre Unternehmenssoftware ebenso einfach funktionieren sollte wie ihre privaten Apps. Und heute äußern die Benutzer in den Unternehmen deutliche Kritik (wie Popeye der Seemann, Zeitungskamerad des Magiers, der sich das nicht länger gefallen lassen will, siehe bit.ly/1a7BiWZ).

Die Unternehmensentwickler sollten inzwischen eigentlich erkannt haben, wie wichtig die Nutzbarkeit ist, denn die Unternehmen sind die direkten Nutznießer von gestiegener Benutzerproduktivität, weniger schwerwiegenden Fehlern und niedrigeren Kosten für Schulungen und Support. Aber die stärksten Festungen schlechter Nutzbarkeit sind geschlossene Situationen, in denen die Benutzer keine Wahl haben. Cormac Herley von Microsoft Research hat untersucht, inwieweit Sicherheitsrichtlinien mit Belastungen für Benutzer verbunden sind. Dabei stellte sich heraus, dass die stärksten Sicherheitsanforderungen nicht für die Daten mit der höchsten Vertraulichkeitsstufe gelten, sondern in internen Situationen, insbesondere in Behörden und Universitäten, wo das Unternehmen nicht aufgrund der schlechten Nutzbarkeit vom Markt abgestraft wird (siehe bit.ly/1eK6Dhu). Avon stellt den Wendepunkt dar, an dem die Änderung dieses Phänomens beginnt.

Sowohl im Unternehmens- als auch im Konsumentensektor muss die UX vor allem anderen entworfen werden. Um den heutigen Standards zu entsprechen, können Sie nicht warten, bis das Programm funktioniert, und es dann kurz in die nächste Abteilung weiterreichen, wo es aufgehübscht wird. Sie können ein Dialogfeld „Datei öffnen/speichern“ verschönern, indem Sie die Ecken abrunden und ansprechende Farbverläufe verwenden. Aber der UX-Interaktionsdesigner entscheidet, ob die Benutzer die Dokumente manuell speichern (wie in Word), oder ob eine automatische Speicherung implementiert wird (wie in OneNote). Diese Entscheidung bestimmt in hohem Maße, welcher Code zu schreiben ist. Der UX-Entwurf muss der erste Schritt sein. Bei Avon war dies offensichtlich nicht der Fall.

Das muss sich ändern. Steve Rosenbush schrieb dazu in seinem CIO Journal-Blog auf „wsj.com“: „Wenn die Benutzer im Privatleben an einfache, gut konzipierte Anwendungen gewöhnt sind, haben sie keine Geduld mit enttäuschender Technologie am Arbeitsplatz.“ Amen.

Bei der Arbeit an Unternehmens-Apps sind Sie also gut beraten, die Benutzerfreundlichkeit mit gebührender Aufmerksamkeit zu behandeln. Denn die Rebellion der Bauern im Unternehmenssektor hat tatsächlich begonnen, und sie sind nicht zu stoppen. Wenn Ihr Vorgesetzter Sie die UX nicht an die erste Stelle setzen lässt, fragen Sie ihn, wie er dazu steht, geteert und gefedert zu werden.

David S. Platt unterrichtet Programmieren mit .NET an der Harvard University Extension School und in Unternehmen auf der ganzen Welt. Er ist Autor von 11 Büchern zum Programmieren, darunter „Why Software Sucks“ (Addison-Wesley Professional 2006) und „Introducing Microsoft .NET“ (Microsoft Press 2002). Microsoft ernannte ihn im Jahr 2002 zur „Softwarelegende“, und er überlegt, ob er seine Tochter das Zählen im Oktalsystem lehrt. Sie erreichen ihn unter rollthunder.com.