Kostenlos .NET-Anwendungen entwickeln

Veröffentlicht: 11. Sep 2002 | Aktualisiert: 10. Nov 2004

Von Christian Pöpel

.NET ist eine Revolution bei der Software-Entwicklung. Herkömmliche Compiler haben damit ausgedient, Sprachen wie C# oder Visual Basic .NET müssen neu gelernt werden. Um Ihnen die neue Plattform schmackhaft zu machen, lässt sich Microsoft einiges einfallen. So erhalten Sie das .NET Framework, die Entwicklungstools und die Beispiele kostenlos.

Auf dieser Seite

 .NET Framework: Compiler, Debugger, alles enthalten
 Visuelle Entwicklung mit dem Framework
 MSDE - MS SQL Server zum Nulltarif
 Der passende Server für die Applikation
 Einer für alle, alle für einen
 Assistenten und Vorlagen - die fleißigen Helferlein
 IIS oder nicht IIS?
 Fazit

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Seit April dieses Jahres können sich Windows-Nutzer kundig machen, wie sich Microsoft die künftige Software-Entwicklung vorstellt. Die Rede ist vom .NET Framework.

Das Framework gibt es in zwei verschiedenen Versionen:

  • Das Microsoft .NET Framework Redistributable richtet sich an alle Nichtentwickler, die ihr Windows-System auf .NET aufrüsten möchten. Diese Version ist vergleichbar mit dem Java Runtime Environment (JRE) und ermöglicht es, .NET-Software unter Windows zum Laufen zu bringen.

  • Die zweite Variante richtet sich an Entwickler und ist unter dem Kürzel SDK (Software Developer Kit) erhältlich - analog zum Java SDK. Im SDK sind sämtliche Tools, wie Compiler, Debugger etc. enthalten, die ein Entwickler als Werkzeug benötigt.

Sowohl die Runtime-Version (20.4 MB) als auch der SDK (131 MB) liegen unter https://msdn.microsoft.com/netframework/downloads/howtoget.asp als Download bereit. Allerdings benötigen Sie für das SDK mindestens Windows 2000 Professional oder Windows XP Professional. Das Redistributable läuft ab Windows 98.

.NET Framework: Compiler, Debugger, alles enthalten

Nach einem erfolgreichen Download des SDK stehen dem Entwickler unter anderem ca. 4000 System-Basisklassen und eine Laufzeitumgebung, die so genannte Common Language Runtime (CLR) zur Verfügung. Die CLR ist eine gemeinsame Laufzeitumgebung aller .NET-Programmiersprachen und generiert aus dem IL-Code (Intermediate Language) einer beliebigen .NET-Sprache zur Laufzeit eine ausführbare Datei.

Zusätzlich wird der Code auch noch auf Sicherheit (z.B. Speichermanagement) überprüft (managed Code). Ein Just-In-Time Compiler (JIT) optimiert den Code für die jeweilige CPU.

Bereits im Basispaket enthalten sind die Programmiersprachen C++, C# und Visual Basic .NET. J# (Java) gibt es als zusätzlichen, kostenfreien Download. Die Anzahl der verfügbaren Programmiersprachen soll weiter wachsen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es bereits ca. 20 Adaptionen von bestehenden und bewährten Programmiersprachen wie z. B. Eiffel, COBOL etc.

 

Visuelle Entwicklung mit dem Framework

Die dem Framework beigefügten Tools sind meist reine Konsolenprogramme. Der Compiler wird in der Eingabeaufforderung gestartet und mit (optionalen) Parametern gefüttert. Will man visuell und mit mehr Effizienz arbeiten, so erwirbt man in der Regel das MS Visual Studio .NET. Diese Entwicklungsumgebung gibt es in drei verschiedenen Versionen, die sich an die unterschiedlichen Kunden richten.

Aufsteigend dem Umfang und des Preises entsprechend sind die Bezeichnungen "Professional", "Enterprise Developer" und "Enterprise Architect". Die einzelnen Version sind zumeist zwischen 1300,- und 3200,- € erhältlich. Die Studentenversion liegt bei 120 €, entspricht allerdings nur der Professional-Ausgabe.

Diese recht hohen Anschaffungskosten (mal abgesehen von der Studentenversion) sind sicher ein Grund dafür, dass der Umstieg von herkömmlichen Entwicklungsumgebungen zu .NET herausgezögert wird. Auch diejenigen, die in die neue Dimension der Entwicklung nur mal reinschnuppern wollen, schreckt der hohe Preis ab. Also fragt sich der .NET-Einsteiger, ob es nicht eine Alternative zu Notepad oder Visual Studio .NET gibt.

Microsoft selbst bietet dem interessierten Entwickler einen einfachen und wirklich gut gelungenen Editor an: ASP.NET Web Matrix. Beachtlich sind vor allem die geringe Größe des Downloads (1.2 MB) und der geringe Speicherplatzbedarf auf der Festplatte von nur 2.5 MB.

David versus Goliath?
Ein direkter Vergleich zwischen Web Matrix (David) und Visual Studio .NET (Goliath) ist nicht möglich, denn Visual Studio .NET ist und bleibt das MS "non plus ultra" auf Produktivsystemen. Web Matrix hätte schon in Bezug auf den Umfang keine Chance das Duell zu gewinnen.

Trotzdem sticht der kleine David hervor. Allein schon durch den (nicht vorhandenen) Preis, von den Onlinekosten mal abgesehen.

Das ist ASP.NET Web Matrix
Doch was ist Web Matrix jetzt eigentlich? Web Matrix ist eine kleine Entwicklungsumgebung mit Syntaxhervorhebung für HTML, XML, C# und VB .NET. Sie richtet sich an den ASP.NET-Entwickler und ermöglicht es, kleinere .NET-Web-Applikationen zu entwerfen. Sie benötigen dazu mindestens das .NET Redistributable, allerdings funktioniert das Testen der Seiten erst ab Windows 2000 zuverlässig.

Das Editorfenster der Software ist in vier Register unterteilt.

  • Design (WYSIWYG-Ansicht zum visuellen Entwerfen der Seite)

  • HTML (HTML Code)

  • Code (VB .NET bzw. C# Code)

  • All (Kombination aus HTML und Code)

Per einfachem Mausklick kann der Code kompiliert und gestartet werden. Zum Debuggen steht ein externer visueller Debugger des Frameworks zur Verfügung, ist aber nicht in die Software integriert.

Wie in Visual Studio .NET auch gibt es auch in Web Matrix eine Toolbox und einen Eigenschafteninspektor.

Die Toolbox bietet die Auswahlmöglichkeit verschiedener Objekte...

  • HTML Elemente (Textbox, Button, Submit, Listbox, Combobox....)

  • Webcontrols (Elemente die serverseitig arbeiten: Textbox, Table, Calendar...)

  • Codebuilder (z.B. für SQL: SELECT-, UPDATE- und INSERT-Anweisungen, Methoden für den MS SQL Server)

  • Custom Controls (Benutzersteuerelemente) und My Snippets (selbstdefinierte Codeblöcke).

Im Eigenschafteninspektor können alle Eigenschaften des aktuell selektierten Objekts zugewiesen werden.

Eine Projektverwaltung ist in Web Matrix nicht implementiert, also bleibt die Suche nach einem Projektexplorer erfolglos. Das Prinzip lautet hier "Workspaces" und "Shortcuts". Ein Shortcut ist ein Ordner auf der Festplatte, in dem die zusammengehörigen Dateien gespeichert sind. Oder besser gesagt eine Verknüpfung auf diesen Ordner. Es gibt zudem noch einen FTP-Shortcut, der einem ein relativ schnelles Editieren und Aktualisieren im Web ermöglicht, da der Inhalt des FTP-Verzeichnisses in Web Matrix abgebildet wird und die Dateien direkt auf dem FTP Server gespeichert werden können.

Bild01

Bild 1: Die Entwicklungsumgebung von Web Matrix

 

MSDE - MS SQL Server zum Nulltarif

Sogar ein kleines Datenbanktool ist in Web Matrix integriert. Dieses Werkzeug ermöglicht es, eine SQL-Datenbank auszuwählen oder anzulegen und Tabellenoperationen durchzuführen. Ein nachträgliches Ändern der Tabellenstruktur ist jedoch nur möglich, wenn diese leer ist.

Positiv: Gespeicherte Prozeduren (Stored Procedures) können erzeugt und editiert werden. Zusätzlich ist sogar noch ein kleiner SQL-Statement-Generator integriert. Durch all diese Features ist es möglich, ein komplettes Datenbankdesign zu erstellen ohne die Entwicklungsumgebung verlassen zu müssen. Allerdings hakt es teilweise beim Zugriff auf die Datenbank, was einige Postings im Web-Matrix-Forum belegen.

Bild02

Bild 2: Verbindung mit der Datenbank herstellen

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Bild 3: Tabellenstruktur unter Web Matrix erstellen

Microsoft bietet deswegen die abgespeckte Version des MS SQL Server 2000 unter https://www.asp.net/webmatrix/download.aspx?tabindex=4 an.

Die so genannte MSDE weist zwei wichtige Unterschiede zum großen Bruder auf. Einmal eine Zugriffsbeschränkung auf 10 gleichzeitige Verbindungen und zum anderen fehlt nach dem ca. 30 MB großen Download jegliche Art von visuellen Administrationstools.

Die Zugriffsbeschränkungen stören relativ wenig, denn zu Übungszwecken und für kleinere Projekte reichen diese allemal aus. Das Einzig wirklich störende, sind die fehlenden Werkzeuge, die das Administrieren und Warten der Datenbanken benutzerfreundlich gestalten. Aber zum Glück gibt es auch hier Tools wie z.B. QueryExpress (ähnlich zum QueryAnalyzer des MS SQL Servers) sowie den Server-Explorer in Web Matrix.

 

Der passende Server für die Applikation

Seit kurzem bietet Microsoft allen Web-Matrix-Benutzern auch kostenlos ASP.NET-Webspace an. In ihm sind 20 MB für Dateien und eine SQL Server 2000 Datenbank mit 10 MB reserviert. Der Zugriff erfolgt per Remote-Tools. Hierzu kann zum einen die Remote-Verbindung per Web Matrix direkt genutzt werden oder der QueryAnalyzer bzw. RemoteAssistent des MS SQL Servers. Weitere Informationen und das SignUp sind unter http://europe.webmatrixhosting.net zu finden.

 

Einer für alle, alle für einen

Ein weiteres tolles Feature ist die Möglichkeit, Komponenten von anderen Entwicklern aus dem Internet zu laden, diese lokal zu speichern und zu benutzen. Der Download und die Einbindung der Controls kann innerhalb der Entwicklungsumgebung vorgenommen werden. Diese Aktion gestaltet sich durch einen Assistenten sehr einfach. Für Hilfesuchende gibt es auch ein Web Matrix Forum und einiges mehr unter https://www.asp.net/webmatrix.

 

Assistenten und Vorlagen - die fleißigen Helferlein

Den letzten Feinschliff erhält Web Matrix noch durch Vorlagen und Assistenten. Beim Anlegen einer neuen Datei kann man zwischen verschiedenen vorgefertigten Formularen auswählen. Hier wird ein breites Spektrum abgedeckt. Es reicht von einer einfachen ASP.Net-Website oder XML-Site bis hin zu Mobile Pages, Database Pages, Security Pages, Web Services und vielen anderen Vorlagen.

Mit den Database Pages können auf einfachste Art und Weise Datenbankformulare generiert werden. Das mag sich ja noch nicht besonders weltbewegend anhören, doch zusätzlich sind Sortierfunktion, Paging, Editier- und Löschoptionen mit einigen Mausklicks hinzugefügt. Auch das Design der Tabelle (DataGrid) ist schnell den persönlichen Wünschen angepasst. Dazu liegen verschiedene Designs als Vorlage bereit. Mittels eines Eigenschaftsgenerators kann das mit einer Datenbank gebundene DataGrid angepasst werden.

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Bild 4: Auswahl einer Vorlage

 

IIS oder nicht IIS?

Um die erstellte Webapplikation nun auch starten zu können, benötigt der Entwickler einen Webserver. Für den kommerziellen Einsatz kommt man nicht ohne einen professionellen Webserver aus. Bewährt haben sich die, bei den Windows Professional- und Serverversionen mitgelieferten, Internet Information Services, IIS 5.x.

Aber was ist, wenn kein kein Webserver vorhanden ist? Hier bietet Web Matrix einen kleinen internen Webserver an. Beim Starten der Anwendung wird der Entwickler gefragt ob er den internen Webserver oder die IIS verwenden möchte. So ist es möglich ohne IIS ASP.NET-Webanwendungen zu testen. Besonders Anwender, die ihren PC bei einem Lebensmitteldiscounter erworben haben, kommen auf diese Weise zu einem Webserver, denn die häufig beigelegte Windows XP Home Edition enthält keine IIS.

Bild05

Bild 5: Auswahl des Webservers

 

Fazit

Microsoft hat sich sehr viel einfallen lassen, um den Einstieg in das .NET-Universum auch kostengünstig zu ermöglichen. Das Einzige, was an Kosten bleibt, ist die Downloadzeit. Der motivierte Einsteiger bekommt ein komplettes .NET-Entwicklungswerkzeug, in dem viele Features enthalten sind:

  • Eine komplette Entwicklungsumgebung

  • Eine funktionsfähige Datenbank (mit Einschränkungen)

  • Eine gute Dokumentation mit vielen Samples (.NET Framework)

  • Komplette Sammlung von Entwicklungswerkzeugen (.NET Framework: Compiler, Debugger...)

  • Einen Web-Account mit ausreichend Platz für Tests und Datenbankbeispielen

  • Einen kleinen .NET-fähigen Webserver (in Web Matrix enthalten oder extra als "Cassini" zum Herunterladen)

Zudem hat Microsoft kürzlich eine Umfrage gestartet, was Web Matrix User in der aktuellen Version 0.5 (Build 464) vermissen. Dies lässt darauf schließen, dass das Web Matrix Projekt noch weiter fortgesetzt und verbessert werden wird.